[April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Welche Schrecken lauern in den Schatten Westfalens?
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Feodor Mykyta Petrov
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Feodor Mykyta Petrov »

Ich kann es ihnen kaum verdenken und tue so als wäre ich angetrunken, als ich mich wieder aufrichte. So schwanke ich ein wenig unsicher und gehe ein paar staksige Schritte zurück zur Treppe. Und schon während ich das tue spüre ich, wie das tote Fleisch sich wieder schließt.

Manchmal frage ich mich, ob das der Fluch ist. Wir sind verdammt, in diesem Fleisch festzustecken. Es kann nicht altern, es kann nicht krank werden, es kann keine Narben mehr verdienen.
Nun. Nicht ganz, oder? Verdammt, daran habe ich gar nicht gedacht. Wieder einmal wird mir schrecklich bewusst, wie wenig ich weiß.

Doch es ist getan. Die erste Verabredung und es ging schon jetzt mehr zur Sache als ich dachte. Bin ich altmodisch? Mir gefällt sie, die Stadt, Dortmund. Ich lasse Regen über meine Hand laufen und wische die letzten Reste vom Blut im Rasen ab, bevor ich auf die Treppe zurückkehre.

Die Stufen führen mich langsam hinauf. Die Kirche und ihre bereits im Mauerwerk verfugten Lügen kann mich mal. Aber darum herum gibt es sicher einen Platz und an solchen Plätzen gibt es Bars, Cafés, Läden. Es gibt Menschen und Fassaden und absurd viel Geld, das hinter den Kulissen durch alle die Niederlassungen, Franchises, Einkaufshäuser fließt. Ich selbst spiele ja mit bei diesem Spiel, kaufe und verkaufe, setze von der Steuer ab, reiche mit Optionen an, renoviere, stoße ab. Es kann nicht schaden, auch zu sehen, was sich lohnt und was nicht.

Und wenn dieser Prinz, wenn Ostermann tot ist, dann heißt das auch, dass sich eine Menge Dinge hinter den Kulissen genau jetzt rapide in Bewegung setzen. Jemand wie Ostermann wird Diener gehabt haben. Diener brauchen Blut oder sie werden verrückt und am Ende krepieren sie. Ich habe schon Schauergeschichten von welchen gehört, die sich zusammen gerottet haben, mit ein paar Sarg-Tanks in ausbruchssicheren Kellern. In den Särgen liegen Leichen mit Pflöcken im Herzen und sie werden mit Blut vollgepumpt nur damit es ihnen gleich wieder abgepumpt wird.
Wenn sie sich organisieren können, dann gibt es ein echtes Problem, in Dortmund. Wenn nicht, dann auch, denn solche wie Ostermann haben mehr als nur einen Dienersklaven und sie alle sitzen jetzt auf dem Trockenen. Wie viele von meiner Sorte sind verschwunden, hier in Dortmund? Selbst wenn jeder davon nur ein oder zwei Menschen an sich gebunden hätte, wäre das Ergebnis eine hässlich große Menge an verzweifelten Junkies mit den Fingern in den Geldtöpfen ihrer ehemaligen Herren.

Ja, der Markt, die Politik, die Kultur hier in Dortmund werden ein paar interessante Wendungen nehmen. Zeig mir, wie hoch die Fallhöhen sind! Ich gehe, um mir diese Innenstadt einmal anzusehen.


Rouse Check zum Heilen, Hunger 2
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Der Steiger
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Der Steiger »

Die Straße, die du vor der Kirche übertrittst, ist tatsächlich eine Autostraße, die in die Innenstadt hineinführt, um den Lieferverkehr in die Stadt fließen zu lassen. Hier scheinen sich vor allem Dienstleister, Restaurants und eher spezielle Geschäfte angesiedelt zu haben, die ohnehin auf Stammkunden statt auf Laufkundschaft angewiesen zu sein. Aber dann passierst du die Kirche und trittst auf den Westenhellweg.

Die Innenstadt, sie ist vergleichsweise neu, funktionale Bauten, entstanden in den Jahrzehnten nach dem Krieg. Aber hier... etwas in dir spürt das Alter dieser Handelsstraße, die von Westen in den Osten (gen deiner Herkunft) führt. Zu dieser späten Stunde sind die Läden geschlossen, aber der Schmutz, den die Straßenkehrer noch nicht beseitigt haben, zeugt von den Menschenmassen, die sich hier täglich hindurchbegeben.

Selbst zu dieser Stunde sind noch Passanten unterwegs, kommen aus den Bars und Cafes, suchen die Discos und andere Vergnügungsorte. Der Westenhellweg, die Lebensader Dortmunds - sie führt mitten durch das Herz der Stadt.
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Feodor Mykyta Petrov
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Feodor Mykyta Petrov »

Ich lausche ihr wieder. Versuche, mir vorzustellen, wie diese Straße vor fünfzig Jahren ausgesehen haben muss. Vor hundert. Vor fünfhundert. Ich kann es nicht, aber ich spüre das Alter.
Wenn einige der Reichen und Schönen aus dem Elfenbeinturm ihre Fänge in den Adern und Venen dieser Stadt hatten, dann hatten sie sicher ihre Hände an Geschäften, Gebäuden und Verbindungen hier. Das Alter allein wird einige von ihnen dazu bewogen haben. Wer von ihnen älter war, ist hier vielleicht auch aus Gewohnheit geblieben.

Ich gehe in Richtung Osten, eher unbestimmt und ohne Eile. Gewohnheitsmäßig sehe ich mir die Häuser an, achte auf Bausubstanz, Witterungsschäden, die Lage. Für eine Immobilienschau sollte ich in die Zulieferer- und Seitenstraßen abbiegen, doch zunächst folge ich dem Lockruf der alten Straße und gehe, wo seit so langer Zeit die Händler und Kaufleute gehen.
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Der Steiger
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Der Steiger »

Innenstädte sterben. Es ist ein trauriger Fakt, herbeigeführt durch das World Wide Web und seine Versandhändler. Dennoch wirkt Dortmund (zumindest in diesem Moment) recht gesund auf dich. Es fehlen die üblichen Vakanzen, die hoffnungsvollen (und meist bald enttäuschenden) Neueröffnungen, die Schlussverkäufe. Sicher, es wird sie hier auch geben, in den Nebengassen. Aber der Westenhellweg zieht offenbar noch immer genug Menschen an, um das Überleben der hiesigen Händler zu sichern.

Im Westen, hinter dir, leuchten rot die Buchstaben "Thier-Galerie". Eines dieser großen Einkaufszentren, die in Mode sind, die ein "Erlebnis" bieten wollen, wahrscheinlich. Aber du wanderst nach Osten, am Stand von Wurst-Willi entlang und dann an Parfümerien und Juwellieren vorbei. Ein seltsamer Kontrast. Da ist ein großes Kaufhaus zu deiner Rechten (Auslaufmodell), dann folgen Modeketten der teureren Natur. Bis du schließlich auf eine Art Platz ankommst, der von einer weiteren Kirche dominiert wird.

Das Bauwerk ist größer als die Kirche, der du so blasphemisch gespottet hast. Der Turm reckt sich in die Nacht, eine zierliche lange Spitze auf einer bauchigen Rundung, beides mit einer grünen Patina bedeckt. Die Fenster sind hoch und lassen sicher einiges an Tageslicht herein. Nicht, dass du das je erfahren wirst. Ein beeindruckender Bau. Die Art, wie diese Kirche frei steht, lässt dich vermuten, dass hier das geistliche Zentrum der Stadt lag (und vermutlich noch liegt).
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Feodor Mykyta Petrov
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Feodor Mykyta Petrov »

Was soll das sein, ein ‘geistliches Zentrum’? Ich kenne Kirchen als angemalte, bunte (und weitaus prachtvollere) Fassaden vor dem üblichen Gerangel von Politik, Geld und Macht. Allerdings habe ich eine Kirche wie diese noch nie wirklich angesehen. Damit meine ich: eine so schlichte. Christlich-katholisch? Evangelisch?

Dennoch, ich folge dem Wink, dem Sog, dem Locken der Stadt. Teufel wie meinesgleichen gehören hier nicht her, doch heute Nacht gehört Dortmunds Launen und diese Kirche gehört wohl dazu. Vielleicht ist es eine Warnung, vielleicht ist diese Kirche innen schöner als außen. Ich prüfe, ob sie geöffnet ist und falls ja, trete ich ein.
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Der Steiger
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Der Steiger »

Was folgt, ist eine wichtige Lektion deutschen Denkens: Obgleich Religiosität lange eine der Grundfesten des preußischen und später deutschen Denkens bildete und Staat und Kirche auch heute noch in Deutschland eng verzweigt sind, so sehr gar, dass der Staat brav die Kirchensteuer für christliche Kirchen eintreibt, andere Religionsgemeinschaften aber beiseite lässt, wobei natürlich ein sekulärer Staat ohnehin keine Religionsgemeinschaften fördern sollte (wenn man es ganz genau nimmt), insbesondere weil seine Bürger mittlerweile zum Großteil gar keiner Religion mehr anhängen und obgleich eine solche zentrale Kirche als wichtiges Kultur- und Geisteszentrum der Allgemeinheit gehören sollte, auch wenn sie rechtlich im Besitz der Kirche ist - übrigens der evangelischen in diesem Fall, wie sich einem Nachrichtenkasten entnehmen lässt - ist der Deutsche an sich doch nicht gewillt, eine solche Stätte ineffizient rund um die Uhr personell zu besetzen oder gar einfach offen stehen zu lassen, denn es könnte sich jemand an den dortigen Teelichtern bedienen (und an den Kirchenschätzen, wie man fairerweise feststellen muss) und das können der deutsche Staat, seine Geistlichen und seine guten Bürger schlicht nicht riskieren.

Kurz gesagt, die Kirche ist zu.
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Feodor Mykyta Petrov
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Feodor Mykyta Petrov »

Menschen. Wir sind seltsam. Das hier ist das Herz der Innenstadt. Wenn irgendwo die Preise für Platz wirklich hoch sind, dann hier. Und hier steht nicht nur eine sondern zwei Kirchen mit dekadent viel Platz darum herum, der nicht annähernd ausgenutzt wird.

Ich starre an der Fassade empor, blinzele in den Regen und gehe dann weiter, irgendwo einen Unterstand finden und mir eine Zigarette anzünden. Dortmund, die Stadt, ihr Land, ist älter als die Menschen, aber die letzten …tausend? …zweitausend? Jahre mit immer mehr und mehr Menschen hier werden etwas getan haben. Wir gehören dazu, mit allem Irrsinn und sogar solchen wie mir, schätze ich.

Ich stehe unter dem Vordach von irgendeiner Modekette. Nichts, was ich mir freiwillig anziehen würde, Stangenware, jedes Jahr ein bisschen anders, um neue Bedürfnisse zu wecken und damit ständig wieder Käufe zu erzeugen. Es wird Zeit, wieder hier zu verschwinden, beschließe ich in diesem Augenblick. Ich werde wiederkommen, sobald ich mehr tun kann als von der Straße auf die Schaufenster geschlossener Geschäfte zu starren.

Ich gehe von der U-Bahn Station bei der Kirche wieder in Richtung Norden und Westen, will einen Bogen schlagen, ungefähr zurück zum Hauptbahnhof. Vielleicht erwische ich diese Unterführung zurück nach Norden in die Gegend, aus der ich gekommen bin. Vielleicht kann ich noch auf nacktes Fleisch starren, in der Linienstraße. Nicht für das Fleisch sondern für die Gier der Menschen, die sich darin spiegelt.
Bemerkenswert: das nackte Fleisch hat mich noch vor kurzem mehr interessiert als es sollte. Immerhin war ich auch vor kurzem schon lange tot. Trotzdem konnte ich starren und mich erinnern und aufgeilen.
Die Leere zwischen meinen Beinen wurde nicht gefüllt, aber es fehlt auch nichts mehr.

Du bist kein Mann mehr, Mykyta. Dortmund schert es nicht. Ich bin ihr neuester Geliebter, seit heute Nacht.
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Der Steiger
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Der Steiger »

Die Ubahn-Station ist ebenfalls recht prominent gestaltet: Ein großer Pylon über einer Art Zelt aus Glas und Stahl. Er ragt in die Nacht hinein, ähnlich wie der Turm der Kirche nebenan, als ob er versuchen wollte, den Himmel zu penetrieren. Jahrhunderte mögen vergehen, aber der Drang des Menschen, Türme zum Himmel zu bauen, bleibt.

Gerade als du zwischen Pylon und Kirche hindurchwanderst, passiert es.

Für einen Moment hast du das Gefühl, dass dich jemand beobachtet. Da vorne in der Gruppe von Jugendlichen. Der Typ im Hintergrund. Schlank, schwarze Kapuze, das Gesicht beinahe verborgen. Du siehst nur seinen Mund, sein Kinn. Er scheint zu lächeln. Eisige Käfer tanzen eine Party auf deinem Rücken. Seine Haut ist bleich.

Du weißt, dass er dich anblickt. Dass er dich sieht.
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Feodor Mykyta Petrov
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Feodor Mykyta Petrov »

Also gehe ich direkt auf ihn zu. Nicht schnell, nicht langsam. Ich schiebe lässig eine Hand in meine Manteltasche, taste und finde, was ich suche. Damit gebe ich ihm ein Lächeln zurück, während ich den kleinen Bogen um die Jugendlichen herum schlage. Kinder sollte man nie unterschätzen. Ich war selbst mal eins, Messer in der Tasche, keine Skrupel, nichts zu verlieren.

Die Sache ist so: ich kenne keine Methode, einen wie mich von Menschen zu unterscheiden, nachdem ich den Trick mit dem Blut gemacht habe. Nicht mal Ärzte kriegen das hin, wenn sie nicht gerade deine Eingeweide sehen können. Aber dann wieder werden wir alle mit den unterschiedlichsten Arten колдовство im Blut wiedergeboren. Ich habe einmal gesehen, wie einer zwanzig Meter weit gesprungen ist. Ein anderer hat eine Leiche wieder aufstehen und laufen lassen so dass sie ein paar Dutzend Kugeln fing. Was weiß ich also schon. Ich schätze, bei dem Griff in die große Wundertüte habe ich verloren als sie mir eine Schaufel über den Kopf gezogen haben. Tipichnyy, typisch.

“Oi”, sage ich und will noch näher kommen. Nah genug für ein Messer in den Rippen.
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Der Steiger
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Re: [April 23] First Date (Feodor / SL / offen)

Beitrag von Der Steiger »

Der Fremde imitiert deine Bewegungen, Schritt für Schritt, wie eine Marionette. Als ihn das hinter einen der Jugendlichen führt, kannst du ihn nicht mehr sehen.

Die Gruppe wendet sich dir zu, als du so offensichtliches Interesse zeigst. Eine Mischung aus jungen Männern mit und ohne (erkennbarem) Migrationshintergrund. Sie beäugen dich, aber sind nicht aggressiv. Immerhin bist du ja auch derjenige der Kreise um sie zieht.

Wo ist der Fremde? Verschwunden. Nur sein Lächeln scheint noch für einen Moment in der Luft zu hängen. Du kannst es spüren...

Wie Maden in deinen Eingeweiden.
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