Tremonia Noctu

Ich bin genauso erschrocken von meiner Aussage, wie Björn. Aber dieser verfluchte Hunger benebelt meinen Verstand. Ich muss... Blut... ... trinken. Dieser Gedanke lässt mich nicht mehr los. Babe... das Blut aus den Bechern, die Miriams Leute mir gebracht haben. Ich war mir die ganze Zeit über bewusst, dass es von Menschen stammen musste und habe es getrunken. Aber das jetzt ausgesprochen zu haben... mir wird schlecht bei dem Gedanken.

Gut, dass Björn sich in Bewegung setzt. Ich packe mit an und begebe mich auch in den Graben. "Hoffentlich sieht der uns nicht..." ... 'Hoffentlich doch', sagte eine Stimme in meinem Unterbewusstsein.

Ihr werft euch hin, keine Sekunde zu früh. Die Scheinwerfer kommen um die Ecke und fahren kurz über den Graben hinweg, als der Wagen die Kurve nimmt. Björn hat alle Mühe, die wütende Lea am Boden zu halten. Dann gleitet das Auto vorbei. Ein teureres Modell - BMW, Mercedes, Audi? - eine dieser Kronen der Automobilschöpfung, und wahrscheinlich schlimmerer Klima-Killer als der durchschnittliche SUV.

Das Auto hält nicht an, fährt die Straße weiter hinauf. Die Rücklichter verschwinden zwischen den Bäumen. Dann ist wieder alles ruhig, wenn man von Leas Geknurre und Gekreische absieht.

Das war knapp. Viel zu knapp für meinen Geschmack, wir müssen runter von der Straße. Immerhin kann ich Lea kontrollieren, da bin ich mir sicher.

„Okay, was jetzt? Fangen wir ihr ein Schaf?“ Es klingt beinah so lässig, wie es klingen soll.

Ich schaue Pezzi an und warte auf seine Antwort. Etwas an seinem Blick und an der Art, wie er das mit dem Fahrer vorgeschlagen hat, beunruhigt mich. Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass wir zwar gerade zusammen arbeiten, dass er aber immer noch ein Vampir ist. Vermutlich Blut von jedem trinken würde, den er in die Finger bekommen kann.

Stellt sich nur die Frage, ob ich eigentlich so viel besser bin? Noch lässt mich der Gedanke an Blut relativ kalt. Aber irgendwie hat sich irgendetwas verändert. Der Gedanke an das Kalb erscheint mir nicht mehr so völlig abstoßend, wie es zu Anfang der Fall war. Eigentlich ist die Idee mit dem Schaf vielleicht gar nicht so … HALT! Befehle ich meinen Gedanken. Darüber will ich jetzt noch nicht nachdenken. Blut trinken sollte mich gefälligst anwidern. Nicht rational betrachtet werden. Aber ich ahne, dass ich diese Illusion von Zivilisiertheit nicht mehr lange werde aufrecht erhalten können…

Der Wagen fährt vorbei und ich atme tief aus - ein Reflex, der mir noch immer zu eigen ist. Trotzdem blicke ich dem Fahrer mit einer Spur Sehnsucht nach. Dann schaue ich zu Lea und rolle mich ersteinmal auf den Rücken.

"Ein Schaf oder sonst irgendein Tier. Für Sie... ... und für mich. Ich muss..." Meine Hand greift zu den Schnitten von Leas Krallen. "...die Wunden schließen. Ich glaube, wenn ich das jetzt tue... hast du zwei, wie sie. Der Hunger war gerade beim Kampf schon fast zu groß."

Ich klinge ernst bei der Antwort - Erschreckend, wie schnell man sich an diesen verfluchten Gedanken gewöhnt. Aber... ich will verdammt sein... selbst das Schwein hat besser Geschmeckt, als das Gulasch von Schwester Gerda. Und das war... verdammt gut.

"Lass uns mal sehen, was wir finden. Im Übrigen... ... ich bin Pezzi."

Ich wundere mich über seine Antwort. Er kann aktiv entscheiden, die Wunden zu schließen? Das klingt völlig abgefahren. Ich muss definitiv mehr darüber wissen, was er kann und was somit vermutlich auch ich jetzt lernen kann. Und wenn wir dafür ein Schaf töten und trinken müssen - so be it.

„Björn.“ ich schaue mich nochmal um, deute dann in die Richtung, dir uns weiter den Berg hinauf führt. „Da oben sollten wir was finden, was ihr … wir essen … oder besser trinken können.“ Ich glaube zu wissen, wo wir ungefähr sind und dass es dort ein paar eingezäunte Weiden gibt. Da sollte man so ein Vieh ja erwischen können.

"Eine andere Situation wäre sicher netter fürs Kennenlernen. Aber: Erfreut."

Ich nicke ihm nochmal zu.

"Gut. Da geht es auch in die Stadt. Wir müssen uns ran halten, wenn wir vor Sonnenaufgang in einem Unterschlupf sein wollen."

Ich packe Lea mit an und dann machen wir uns auf in besagte Richtung.

Mit Mühe und Not schleift ihr die rasende Leah die Straße entlang. Es ist Knochenarbeit, denn sie versucht weiter, euch zu beißen, zu greifen. Nichts ist mehr von der Frau geblieben als eine wilde, blutrünstige Bestie. Wieder und wieder müsst ihr zurückspringen, sie erneut packen. Und das alles bergauf.

Oben sind Häuser zu sehen, die ihr wohlweislich meidet, bis ihr nach Irrungen und Wirrungen endlich einen Zaunpfahl seht. Nie war Elektrodraht so schön.

Auf der Weide sind größere Umrisse zu erkennen. Pferde offenbar, keine Kühe.

Und was nun?