Tremonia Noctu

Du läufst um die Lagerhalle herum, die nach nichts besonderem aussieht. Eine wie die andere. Das Licht deiner Lampe gleitet über die Fassaden der umstehenden Gebäude und kriecht über den erdigen Boden. Du siehst zwar Fußabdrücke, aber keine die besonders herausstünden und du weisst ja auch, dass hier nun mal Menschen herum laufen.
Während deine Augen dem Schein der Lampe zwischen zwei Hallen folgen bleibt Bonnie plötzlich stehen und fängt leise an zu knurren. Sie schaut auf die entfernte Ecke der nächsten Halle an der ein Haufen Paletten steht.

Geistesschärfe + Tierkunde, um schnell die Situation und Bonnys Verhalten einzuschätzen - 3 Erfolge

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Ich bin in Gedanken gerade dabei, das Lagervolumen der Halle zu überschlagen und wie schnell man Autos losgeschlagen und nach Eisenhüttenstadt und über die Grenze nach Polen verschoben bekommt.
Das Knurren reißt mich ins Hier und Jetzt zurück. Ich hebe die Lampe nicht an, obwohl das mein erster Impuls ist. Stattdessen trete ich an Bonnys Seite.
Wir kennen uns noch nicht so lange, sie und ich. Sie ist ein Teil Dortmunds, ein winziger, lebendiger Teil. Ich gab der Stadt mein Blut, sie gibt mir eine Heimat. Der Hund ist ein Teil von alledem, auf eine so ursprüngliche, direkte Art und Weise, dass ich es nicht richtig in Worte kleiden kann.

Sie hat etwas bemerkt, ich bin sicher. Das könnte ein Mensch sein - sie kann Menschen nicht leiden. Ein Penner, der sich hier verkrochen hat und versteckt. Könnte sein. Oder es könnte sein, dass sie gefunden hat, was wir hier gesucht haben. 'Beute', will ich unwillkürlich denken. Bonnys Knurren hält mich zurück, lässt mich vorsichtig bleiben. Sie würde nicht knurren, wäre dort nur billige Beute für uns.

Ich streife sie mit meinem Bein als ich langsam losgehe, auf die dunkle Ecke zu, die Lampe locker in der Hand. Gemeinsam gehen sie und ich in die Richtung, die sie mir gezeigt hat. Ich versuche, mehr zu erkennen, lausche auf meine Schritte und ihre, auf die Geräusche aus der Dunkelheit um uns her.

Es klingen nur deine Schritte durch die Nacht, neben Bonnies leichem Hecheln. Ihr Körper fühlt sich angespannt an. Starke Muskeln unter der dünnen fellbesetzten Haut. Sie tappt nur vorsichtig weiter neben dir her, als du auf den Stapel Paletten zuhälst.
Leise beginnt sie zu winseln, dann hörst du schnelle Schritte davon eilen. Um das Lagerhaus herum. Kurz nur meinst du, hätte der Schein deiner Lampe auch eine sich bewegende Sihoulette eingefange. Jedoch zu wenig und zu kurz um etwas wirklich ausmachen zu können.

Das Winseln macht mich mißtrauisch. Und sie setzt auch nicht sofort nach. Sie hat Angst.
Ich lege ihr eine Hand an die Schulter, kurz, zum Beweis, dass ich hier bin.

Ich renne nicht hinterher. Aber ich folge langsam und halte Ausschau. “Lukaschenko”, sage ich in die Dunkelheit. Das ist der Name von meinem Vorgänger hier. Wenn das hier jemand von denen ist, die eine Abmachung mit ihm hatten, dann wird der Name vielleicht weiterhelfen. Und wenn es nur irgendein Penner ist, dann wird es ihm gar nichts sagen.
Ich unterstreiche das noch einmal: “Вы знаете Лукашенко?”

"...ist nicht mehr...so wie niemand mehr..." hörst du eine leise Stimme plötzlich reden. Ungefähr auf der Hälfte der Länge des Lagerhauses an seiner kürzesten Seite ist jemand stehen geblieben. Eine recht kleine Gestalt in einem Kapuzenpullover und Jeans, die sich dir nun plötzlich zuwendet und lauter spricht:

"Gehörst du zu ihm? oder suchst du ihn?" Blasse helle Haut wird von deiner Taschenlampe reflektiert. Ein junges, weiches Gesicht.

"Bleib stehen! Halt den Hund bei dir und nimm die Lampe runter." sagt die relativ helle Stimme direkt und eindringlich. Keine Bitten, kein Raum für Diskussionen hat hier Platz.

Sie steht gut sechs Meter von dir entfernt, neben ihr ein metallener Abfallcontainer. Ihre Haltung lässt sie wie ein Tier auf den Sprung erscheinen, leicht gebeugt und in stetiger Anspannung.

“Ja”, sagte ich ihr auf ihre Fragen zu Lukaschenko hin. Und ich tue es absichtlich, damit sie darüber nachdenken muss, was genau das meint. Wenn sie darüber nachdenkt, kann sie nicht gleichzeitig weitere Order geben wollen.

Trotzdem bleibe ich stehen. Ich will nicht, dass sie abhaut. Ihre Haltung wirkt elendig vertraut. Ich habe mal so dagestanden, als die Soldaten kamen. Ich habe unzählige andere so dastehen sehen. Der Anblick versetzt mir etwas wie einen elektrischen Schlag, macht etwas mit mir. Ich senke die Lampe ein wenig und berühre Bonny einfach an der Schulter. Es ist mehr ein Zeichen für die Fremde als für den Hund. Jetzt kann sie glauben, dass ich den Hund bei mir behalte. Als würde der Hund losrennen bevor sie losrennt oder ich.

“Petrov”, sage ich ihr und tippe mit dem Ende der Taschenlampe gegen meine Brust. Der Lichtkegel tanzt ein wenig vor meinen Füßen, aber ich schirme ihn in der Geste mit meinem Ärmel ab.

“Es gab eine Abmachung, da?”, fange ich an. “Zwischen deinen Leuten und Lukaschenko, молот.” Hammerkopf, sein Spitzname.

Ihre Augen funkeln dich an, als sie über deine einsilbige Antwort nachdenkt. Dann zucken ihre Augen herum, gefolgt von ihrem Kopf. Wie ein augeschrecktes kleines Tier.

Trotz ihrem weniger bedrohlichen Auftreten auf diese Weise, bleibt Bonnie nah bei dir und scheint ebenso angespannt wie die unscheinbare Bestie vor ihr. Ihre Augen sind jedoch anders als ihre starr auf die potentielle Bedrohung gerichtet.

"Wer bist du...Petrov? Nie von dir gehört."
Ihre Augen fokussieren dich wieder, als wöllten sie in deine Seele blicken und jedes Geheimnis dort herausziehen.

Ich starre zurück. Mein Blick kann Zähne und Widerhaken haben. Weiß sie nicht, dass es das gibt? Oder versucht sie es selbst? Doch dies hier ist der Boden der Bratva, hier bin ich stark.

"Sowenig wie ich von dir", gebe ich ihr zurück und ziehe einen Mundwinkel hoch. Und damit wäre ein Patt erreicht. Doch ich zucke mit den Schultern und kann die Geste der Stärke machen: "Jemand muss die Geschäfte machen. Lukaschenko macht sie nicht mehr." Zugegeben, das ist ukrainische Pragmatik. Vielleicht ist es auch russischer Schwermut, oder beides. Ein Leben ist nicht viel wert, ein Mann sind zwei Hände, die ein Gewehr oder einen Hammer halten können. Die Deutschen verstehen das meist nicht, sie haben die letzten siebzig Jahre anderes gelernt.

"Deine Leute hat es auch erwischt, da?"

SIe blickt zu Boden, dann wieder auf, auf den Hund, auf dich, auf die Umgebung.

"Auch..ha...ja, vielleicht. Weiss nicht was Hammerkopf erwischt hat...du?"
Sie grinst plötzlich breit, vielleicht soll es auch ein fletschen der Zähne sein. So oder so wirkt es deplatziert.
"Du bist nicht von hier und doch bist du da...komisch nicht. Manche verschwinden, manche nicht und dann bist du da...ein Neuer? Oder der Grund?"

“Ja”, bestätige ich das einfach und zeige mit dem Finger kurz auf sie. Für sie gilt genau dasselbe, was sie mir gerade entgegenwirft. Keiner von uns beiden kann seine Unschuld beweisen.

Anstatt darüber mit ihr immer weiter im selben Kreis zu laufen, sage ich: “Der Hammerkopf hat auf das hier aufgepasst und jetzt mache ich es. Du bist hergekommen.”
Ich stelle die Dinge ruhig und einfach fest.

“Ich habe dir meinen Namen gesagt. Sag mir deinen.”