[April 23] Fortgebildet (Pezzi / SL)

[Der Steiger]

Ein knackendes Geräusch, als der Lautsprecher wieder zum Leben erwacht. "Ich zeige dir nur die Wahrheit, Lucas. Die Wahrheit über unsere..." Die Stimme stockt, zum ersten Mal seit dem Beginn dieses seltsamen Gesprächs. Du erahnst die Gestalt der Frau irgendwo hinter den Lampen. Wenn sie nicht nur so grell wären! Sie zieht an etwas, das wie eine große Schlange aussieht.

Ein Stück borstige Schweinehaut klebt an deinem Mundwinkel und deine Hände sind rot und klebrig. So als hättest du im Sandkasten gewühlt. Nur dass der Sandkasten in diesem Fall lebendig war. Der Geschmack von Blut (köstlich) und Dreck (erdig) hängt in deinem Mund.

Dann trifft dich der Wasserstrahl und wäscht das Entsetzen und andere rationale Gedanken fort. Der Wasserdruck ist so stark, dass du nach hinten taumelst. Etwas in dir brüllt auf, will sich für all diese Demütigungen rächen, etwas das vielleicht schon vor Jahren in einem heruntergekommenen Kinderschlafzimmer geboren wurde, das nun aber ein eigenes Leben hat und zerreißen will, zerfetzen...

Allein, die Kette hält es auf.

Als das Wasser nachdenkt, senkt sich der rote Schleier über deinen Augen langsam. Gleichzeitig bemerkst du, dass die Frau ans Gitter getreten ist. Sie trägt eine Kapuze und eine dunkelgrüne Maske aus Pappmachee über einem weiten Umhang - ein Kostüm, das im Halbdunkel bedrohlich wirken mag, im grellen Licht aber eher an den Horror der Karnevalssaison erinnert. Irgendetwas stimmt nicht. Sie schaut an deinem nackten Körper auf und ab, schüttelt den Kopf. "Nein... nein, nein... verdammt. Verdammt!"

[Pezzi]

"Wa... " 'Was?' sollte das heißen. 'Unsere Was' Ich hatte angefangen die Frau anzubrüllen, als auch schon das Wasser mich hart traf. Wahrscheinlich hätte es mich zu Boden geworfen, hätte ich nicht schon gesessen. Und wieder bekomme ich nur noch mit, wie mein Körper sich selber bewegt. Es - was auch immer meinen Platz einnimmt - versucht sich gegen die Wassermasse zu stemmen und die Quelle anzugreifen.

Ich höre mich brüllen, was dann durch Wasser erstickt wird. Langsam kämpft mein Körper sich vorwärts und auf die Beine... nur um dann wieder in die Eisen und auf den Boden gepresst zu werden.

Als das Wasser und damit auch die Wut in mir nachlassen, kehren meine Gedanken zurück. Ich huste - das erste Mal seitdem das Wasser mich traf, wie mir später auffallen wird. Ebenso realisiere ich an dieser Stelle noch nicht, dass mein Körper eigentlich blau von Blutergüssen sein müsste, so hart, wie der Wasserstrahl gewesen war - aber er ist es nicht.

Stattdessen, schaue ich die Frau an. Sie spricht aus, was ich denke.

"Was zum Teufel... ist hier los?!", frage ich sie, während ich mich dem Dran widersetze möglichst weit weg von ihr zu sein und langsam auf die Fremde zugehe.

"Was... ist hier passiert? Hast du mir Drogen verabreicht? Und... was soll diese Maske? Sag mir endlich... wer du bist... und was das hier soll!"

[Der Steiger]

"Goddamn FUCK!..." Sie zieht sich langsam hinter die Scheinwerfer zurück. "Okay, hör zu, das hier, das war ein Fehler." Die Maskierte hebt die Hände. "Ich muss nachdenken, okay? Äh... warte solange hier. Wir haben noch ein bisschen Zeit bis zum Morgen. Ich muss, äh..." Du ahnst, wie sie den Raum fluchtartig verlässt und die Tür hinter sich schließt. Dich in wässrigem Blut und Schweinescheiße zurücklässt. An diese verdammte Kette gefesselt.

Immerhin, sie schaltet die Lichter aus.

In der Düsternis wird das tote Schwein zu einer undefinierbaren Masse, das Rot nur zu einem weiteren Grauton. Am Gestank ändert das natürlich nichts. Aber alles ist besser als dieses grelle Licht, dass deinen nackten Körper bis ins letzte Detail vor der Welt bloßgelegt hat. Irgendetwas ist da in deiner Brust. Und dir ist nicht kalt, trotz Wasser, trotz Nacktheit. Du spürst die Kälte, natürlich, aber du frierst nicht. Und du solltest frieren. Du hast genug unterkühlte Jugendliche gesehen, die dicke Kleidung trugen. Warum frierst du nicht?

Draußen träumt die Stadt dem Morgen entgegen.

[Pezzi]

"Was geht hier ab? Was? Nein! Nein... Warte! Geh nicht!"

Ich setze mit Anlauf ihr nach und vergesse die Kette. Das Halsband drückt mir in den Kehlkopf, dann machen meine Beine des Satz weiter nach vorne und ich knalle mit Wucht auf den Rücken. Aber ich habe keine Atemprobleme. Klar... der Schmerz drängt sich in meinen Körper und die Atmung setzt aus. Aber... die Panik, weil die Luft wegbleibt fehlt. Seltsam. Genauso, wie die Sache mit der Kälte.

Ich drehe den Kopf gen Ausgang und sehe noch wie die Fremde verschwindet. Wenigstens ist das verdammte Licht aus. Ich schließe trotzdem die Augen. Was für ein beschissener Trip. Stunden vergehen... oder sind es Minuten? Ich kann es nicht greifen. Irgendwann jedoch mache ich die Augen auf und drehe den Kopf wieder in die Andere Richtung. Dabei schaue ich dem Schwein direkt in die toten Augen. Zumindest in das eine, dass das Massaker überstanden hat.

"Tut mir leid, Babe. Aber, wenn die Drogen endlich aus mir raus sind, geht es uns Beiden sicher gleich viel besser. Mann... ... was für Zeug hat die Irre mir da gegeben? Ich zitter nicht einmal... Dabei ist es verdammt kalt. Sag mal... reagieren meine Pupillen normal?"

Während ich mit dem Kadaver quatsche fährt meine Zungenspitze vollkommen unverbindlich über meine oberen Schneide- und Eckzähne.

[Der Steiger]

Das Schwein antwortet nicht, aber seine Präsenz ist dennoch irgendwie beruhigend. Der pure, animalistische Gestank erdet diesen wahnsinnigen Moment ein wenig. Aber du sitzt fest. Zeit vergeht. Du spielst eine Menge Szenarien in deinem Kopf durch, aber nichts erklärt so wirklich die Situation. Außer natürlich "Drogentrip", aber das hier ähnelt keinem Drogentrip den du je hattest. Es fehlt der Fortschritt im psychedelischen Film.

Du beobachtest, wie es draußen langsam ein wenig heller wird. Und jetzt wird der Trip echt übel. Irgendwas in dir will schlafen gehen, obwohl du ja eigentlich ewig gepennt haben musst. Etwas anderes sieht das Sonnenlicht kommen und dreht völlig durch. Als würde jemand direkt an deinem Ohr schreien. Der Schock geht vom Kopf bis zum Fuß. Du springst auf, aber die Kette dein treuer Begleiter und weiter als bis zum Gehege kommst du nicht. Draußen bricht die blaue Stunde an. In dir die Panik aus.

Sanftes Licht fällt durch die großen Fenster oben an der Lagerhalle. Jetzt kannst du mehr erkennen - du steckst in einer Partition eines größeres Gebäudes, nach oben offen, aufgebaut wie eine seltsame Bühne für ein noch seltsameres Kunstwerk. "Nackter Mann mit Schweineleiche 27B". Kunststudenten hätten ihre wilde Freude an der Interpretation. Aber dein Blick wandert immer wieder zur Lichtquelle, so wie ein Lemming zum Abgrund.

[Pezzi]

Babe, mein treuer Freund. Nein. Babe war ein kleines süßes Schweinchen. Das hier ist viel Größer. Es braucht einen anderen Namen. Schnuppi. Ja. Schnuppi, mein treuer Freund. Ich rede noch eine Weile mit dem Toten. Betrauere seinen Verlust. Ich weiß gar nicht, wie oft ich mich entschuldigt habe.

Bis... die Sonne in der Ferne aufgeht.

Warum werde ich jetzt müde? Und warum ist das diesem anderen Pezzi in mir egal?!

Ich bilde mir ein, dass mein Herz immer lauter pocht, als die Sonne in den Raum zu kriechen beginnt. Und knurre die Fenster an. Warum zum Teufel mache ich das?! Warum stehe ich an der Wand und...

"Fuck!" Habe ich gerade die Verankerung aus der Wand gerissen? Und warum fühlte sich dieser Moment so berauschen gut an? Je länger dieser Abend geht, desto mehr Fragen donnern in meinem Schädel. Meine Beine bewegen sich und zerren die Kette hinter mir her. Mach's gut Schnuppi.

Ich renne in einen der hinteren Räume. Weg vor der Sonne. Ich rede mir ein, dass die Tussi von gerade da gewesen war. Vielleicht liegen da meine Sachen. Ja. Ich laufe ganz bewusst und lasse meinen Körper nicht fernsteuern. Nein! Das wäre doch verrückt, oder? Und dieser vermaledeite Hunger kommt auch wieder zurück, wenngleich nicht so sehr wie vorhin.

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Körperkraft + Sportlichkeit (Blut in Wallung gebracht): 5 Erfolge

https://discordapp.com/channels/1092212 ... 8570790029

[Der Steiger]

Die Schiebetür lässt sich öffnen und du taumelst aus dem abgetrennten Bereich der Lagerhalle heraus, offenbar einem von mehreren, in denen vor Urzeiten wasauchimmer untergebracht war. Es ist dir auch relativ egal. Was immer Schnuppi gefressen hat, was immer da Krankes in dir ist, ihr seid in diesem Moment einer Meinung. Zwar steht das Tor der Lagerhalle weit offen (von der Frau fehlt jede Spur), aber jeder deiner Instinkte verbietet es, hinauszulaufen. Du siehst freie Fläche da draußen, Bahngleise - und zwar bereits sehr gut, denn es wird gerade hell.

Stattdessen treibt es dich in einen der anderen Hallenbereiche. Hier stehen einige alte Kisten, teils angemodert, teils zerbrochen. Gesteuert von Instinkten kriechst du in eine davon hinein und rollst dich zusammen. Eine tiefe Müdigkeit überkommt dich, tiefer als alles Bisherige.

Du hast einen seltsamen Traum. Motorengeräusche. Stimmen. "...sich losgerissen..." "...finden, sonst..." "...Kette hier! Hier!" Dann wird die Kiste getragen, du rollst jedoch hinaus, in einen tiefschwarzen Abgrund. Eine müde Stimme. "...ihn gefunden. Ja. Nein. Einfach in die Sonne, dann ist das Problem gelöst. Nein, mein Prinz. Ja, mein Prinz..." Die Finsternis verschlingt dich.

===[ENDE]===